Ich bitte alle Leser an dieser Stelle, nicht schreiend davonzulaufen, nur
aufgrund des bloßen Titels dieses Spiels. Zugegeben, Family & Friends Party
klingt so dermaßen nach billiger Massenmarktabzocke, dass man auf diesen
Gedanken kommen könnte. Dennoch heißt es ja, dass man den Tag nicht vor dem
Abend loben und das Partyspiel nicht vor der Party tadeln sollte. Also werfen
wir doch einen interessierten Blick auf die Software.
Family & Friends Party ist ein Partyspiel im engsten Sinne. Das wird schon
dadurch deutlich, dass es schlicht keinen Einzelspielermodus gibt. Zwar kann man
den abwechselnd zu spielenden 2-Spieler-Modus theoretisch, einem Schizophrenen
gleich, spielen, aber das Spiel sieht es nicht vor. Das macht aber auch durchaus
Sinn, wenn euch bewusst wird, dass man es hier mit einer virtuellen Version von
„Activity“ und „Trivial Pursuit“, quasi einer Mischung, zu tun hat. Die
beliebten Gesellschaftsspiele dürften die meisten kennen, daher nur ein kurzer
Umriss. Zunächst von Activity: Es geht darin um Dreierlei. Einmal müssen
Begriffe umschrieben und erraten werden, einmal müssen Zeichnungen erkannt
werden, einmal muss Pantomime (sprachlose Gestik) erraten werden. Unsere
Familienparty baut um dieses Grundgerüst ein ganzes Videospiel. Das
Begriffe-Erklären wurde dabei aussortiert, dafür finden neben Pantomime und
Malen vier weitere Spiele Eingang. So findet sich das berühmte Galgenraten bzw.
-männchen im Spiel wieder, in dem euch das Programm ein Wort vorgibt und ihr auf
einer Tastatur Buchstaben auswählen müsst, von denen ihr glaubt, dass sie im
gesuchten Wort enthalten sind. Ihr dürft euch nur fünf Fehler (d.h. fünf nicht
enthaltene Buchstaben) erlauben, sonst habt ihr verloren. Ärgerlich bei diesem
Spiel ist es, dass die Anpassung an den deutschen Markt schlampig geschah. So
kann es mal vorkommen, dass der Platz für ein langes deutsches Wort einfach
nicht reicht. In der Kategorie „Im Büro“ wird das Wort „Kleiderständer“ dann mal
fix auf „Kleiderst“ gekürzt. Ob es was damit zu tun hat, dass das englische
„hallstand“ auch 9 Buchstaben hat? Apropos Kategorien: Diese hätten auch ruhig
etwas vielfältiger ausfallen dürfen. Die Entwickler waren offenbar Büro-, Auto-
und Sportfans. Des Weiteren bietet Family & Friends eine Variante von Psimon an.
Vier Farben sind vier Töne zusortiert und das Programm spielt erst eine Sequenz
von drei Tönen, dann vier, fünf, schließlich sechs Tönen. Eure Aufgabe ist es,
diese fehlerfrei nachzuspielen. Die nächste Aufgabe kommt eher aus dem Bereich
Schule. Bei „Raten“ gilt es, ein Wort rückwärts zu buchstabieren. Ganz nett
gemeint, aber etwas sinnlos, wenn man das Wort nicht wie sonst üblich gesagt
bekommt, sondern es vorher selbst lesen darf; zwar nur für kurze fünf Sekunden,
aber es reicht, um sich die schwierigen Stellen einzuprägen. Außerdem ist hier
der Schwierigkeitsgrad, der im gesamten Spiel schwankt, besonders wankelmütig.
Es ist einfach ein Unterschied, ob man „Polizeihauptquartier“ oder „Disko“ in
der Zeit wiedergeben soll. Soweit soviel Bekanntes. Aber das letzte Spiel ist
etwas individueller und weniger bekannt. In „Telepathie“ wird eure
Menschenkenntnis auf amüsante Weise geprüft. Zwei aus eurem Team schauen sich
einen Hinweis an und sollen nach einem Countdown gleichzeitig das gleiche Wort
sagen. Beispiel: „Ein essbarer Salzwasserfisch“. In einer unserer Testrunden
sagten die beiden Testspieler doch tatsächlich beide „Thunfisch“ und hatten
gewonnen. Aber auch harmlose, private Fragen sind möglich, etwa „Deine
Lieblingsfarbe“ oder ähnliches. Besonders vergnüglich an diesem Spiel ist, dass
beide immer krampfhaft danach forschen, was wohl der andere sagen wird und es
daher meistens dann doch nicht klappt. Das Spiel ist simpel, aber eine wirklich
tolle Idee. Schade, dass es beim Zufallsgenerator in allen Testsessions am
seltensten drankam.
Das Schöne an Family & Friends Party ist, dass diese sechs Spiele nicht einfach
für sich allein stehen, sondern in ein Gesamtkonzept eingebunden wurden. Dieses
lohnt sich wirklich aber erst ab vier Personen. Ihr könnt 2-4 Teams bilden,
wobei in jedem Team wieder jeweils 2-4 Personen sitzen können. Schade ist
übrigens, dass höchstens acht Spieler teilnehmen dürfen. Es ist also nicht
möglich, vier Teams mit je vier Spielern zu bilden, was schade ist, weil es
technisch und spielerisch kaum ein Hindernis dafür gäbe. Aber gut, habt ihr euch
organisiert, startet das Spiel. Ihr spielt teamweise der Reihe nach, wobei euch
ein Zufallsgenerator eines der sechs erklärten Spiele zulost. Eure Aufgabe ist
es nun wie bei „Trivial Pursuit“, alle sechs Spiele (respektive in der Vorlage
Fragenkategorien) einmal zu schaffen. Habt ihr eines erfolgreich absolviert,
bekommt ihr dafür einen kleinen Sticker. Welches Team als erstes alle sechs
Sticker gesammelt hat, gewinnt die Partie. Die Spiele laufen dann auch immer im
eigenen Team ab. Müsst ihr also pantomimisch etwas vormachen, muss euer eigenes
Team dies erraten. Das Spiel fragt euch nach dem Zeitlimit, ob ihr es geschafft
habt. Theoretisch kann natürlich gemogelt werden, aber eure Mitspieler werden
darauf schon aufpassen. Etwas befremdlich ist es trotzdem, denn das Spiel hat in
den allermeisten Fällen keine Regulierungsmöglichkeiten.
Für etwas Taktik sorgen die Münzen. Gewonnene Spiele bringen wie bei Mario Party
Münzen auf euer Konto. Lost euch der Zufallsgenerator ein Spiel zu, welches ihr
bereits geschafft habt, gibt es bei Erfolg sogar noch mehr Münzen. Klar ist,
dass einige Teams, wenn sie bereits fünf von sechs Spielen geschafft haben,
unter Umständen ganz schön lange auf das zufällige Eintreten des letzten Spiels
warten müssten. Dafür sind nun die Münzen gut. Mit einer gewissen Anzahl kann
man den Zufallsgenerator umgehen und ein bestimmtes Spiel spielen, mit einer
noch größeren Summe kann man sich sogar den Sticker eines Spiels kaufen.
Damit alle Teams manchmal auch gleichzeitig antreten dürfen und die Teams
weitere Münzen gewinnen können, treten nach einiger Zeit sogenannte
Vs.-Herausforderungen auf. Hier tritt jeweils ein Spieler von den Teams in fünf
verschiedenen Spielen gegen die anderen an. Auch diese Minispiele kopieren
fleißig bekannte Klassiker. Da wird zum Beispiel Schnick-Schnack-Schnuck
gespielt, müssen Bilder erraten oder Matheaufgaben ausgerechnet werden. Diese
Spielchen sind zwar alle ganz nett und machen in heiterer Runde eine Menge Spaß,
das Rad wird aber wahrlich nicht neu erfunden. Besonders ärgerlich ist aber,
dass nicht vorher gezeigt wird, wer aus dem Team antritt. Erst wenn das Spiel
gestartet wird, erscheinen die Mii-Köpfe im Bild und man weiß, wer spielen soll.
Das sorgt für hektische Aufregung in den Teams und hätte wirklich nicht sein
müssen, zumal eine Spielerklärung den Spielen immer vorgeschaltet ist. Für zwei
oder drei Spieler hält Family & Friends Party übrigens eigene Modi bereit. Zu
zweit soll man gegen die CPU in einer Partie antreten und zu dritt sich in drei
Teams zusammenfinden, wobei sich dann jeder Spieler in zwei Teams wiederfindet.
Beide Modi widerstreben dem Party-Charakter des Spiels und fügen sich nur sehr
schräg ins Gesamtbild ein. Zur Technik muss man bei solchen Titeln eigentlich
wenig sagen. Der grenzdebile Moderator, der etwas an den schrägen Kerl aus Mario
Party 8 erinnert, mit seinen terrorisierenden „Juche“-Rufen gehört in die Wüste
gejagt und die Musik hätte man sich auch schenken können. Am besten ist, ihr
lasst einfach den CD Player der Stimmung angemessene Musik spielen. Die Grafik
ist zweckmäßig und sauber, hält aber nicht gerade viele Hintergründe bereit,
obwohl die vorhandenen sich nun auch nicht gerade durch übermäßige
Detailverliebtheit auszeichnen. Aber es bleibt zweckdienlich, genau wie die
Steuerung, die sich auf die Pointersteuerung reduziert und somit ihren Dienst
gut, aber unauffällig verrichtet. Einzig beim Malen macht sie manchmal Zicken,
wobei es da weniger an der Steuerung im Spiel liegt, sondern einfach daran, dass
Zeichnen mit der Wiimote an sich wirklich nicht einfach ist.
Fazit:
Family & Friends Party ist nicht so schlecht wie sein Name. Die Spielidee,
nämlich beliebte Gesellschaftsspiele in ein Videospiel zu verpacken,
funktioniert ganz gut und macht ab vier Leuten in geselliger Runde auch eine
Menge Spaß, obwohl manche Schwierigkeiten mit der Virtualität (siehe
„Buchstabieren“) nicht zu leugnen sind. Die enthaltenen Spiele sind zwar
größtenteils bereits bekannt, was aber den großen Vorteil hat, dass wirklich
jeder sofort einsteigen kann. Ihre Qualität hält sich durchgängig im oberen
Mittelfeld, nur „Telepathie“ bekommt einen Sonderbonus. Das Münzsystem sorgt im
Übrigen für einen kleinen Taktikanteil. Dem Gegenüber stehen die teilweise
schlampige Portierung ins Deutsche und kleinere Ärgernisse wie der stark
schwankende Schwierigkeitsgrad oder die fehlende Anzeige, wer an der Reihe ist.
Außerdem muss man sich im Klaren darüber sein, dass man alleine gar nicht erst
loslegen darf. Entsprechend gibt es nichts freizuspielen und auch keine
Highscores. Family & Friends Party ist ein digitales Gesellschaftsspiel, das
einen großen Vorteil gegenüber den Brettversionen hat, nämlich, dass es nur 10
Euro kostet. Insofern sicher kein schlechter Fang.
(Hendrik)
Pluspunkte:
+ kostengünstiges digitales Brettspiel
+ gelungene Umsetzung bekannter Spiele
+ vergnügliche Spielregeln
+ für bis zu 8 Spieler
+ sofort erlernbar für jeden
+ Telepathie-Spiel
Minuspunkte:
- allein nicht spielbar
- Modi für 2-3 Spieler unbrauchbar
- Übersetzungspannen
- wankender Schwierigkeitsgrad
Wertung:
Mehrspieler: 7,5

Screenshot 1

Preis:
1000 Nintendo Punkte
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(03.09.2009)