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Retro City Rampage (WiiWare)
8-Bit isn't dead: Wer glaubt, die Zeiten von grob aufgelöster und farbarmer Pixelgrafik sowie entsprechend monophonem Dudelsound längst hinter sich gelassen zu haben, der irrt - und zwar gewaltig. Denn Retro ist "in" und erlebt in modernen Videospielen gerade eine Renaissance. Nie seit Ende der 1980er Jahre war beispielsweise eine Pixel-Präsentation beliebter als heute, besonders im Independent-Bereich hat sich der "Old-School-Look" mittlerweile zu einem charakteristischen Stilmittel der Szene entwickelt. "Retro City Rampage" aus dem Hause Vblank Entertainment ist dabei vermutlich die ultimative Hommage an die frühe Ära der Videospielgeschichte. Ein simpler "Grand Theft Auto"-Klon in 8-Bit, könnte man nach der Betrachtung einiger Screenshots meinen. Doch es ist in Wahrheit weit mehr als das: Eine Parodie bekannter und beliebter Spieleklassiker. Eine spielbare Satire, welche die Pop-Kultur der 80er und 90er Jahre überspitzt porträtiert. Eine zeitgenössische Gesellschaftskritik. Ein lebendiges Kunstwerk. Was es dagegen nicht ist: ein exzellentes Spiel.

Die Entwickler bezeichnen "Retro City Rampage" selbst als Open-World-Action-Parodie - eine Beschreibung, die treffender nicht sein könnte. In der Rolle eines namenlosen "Bad Boys" müsst ihr in der fiktiven Stadt Theftropolis Bauteile für eine Zeitmaschine einsammeln. Inspiriert durch Rockstars "Grand Theft Auto"-Serie fahrt ihr dazu in der interaktiven, offenen Spielwelt herum und erledigt diverse Story-Missionen. Was zu diesem Zeitpunkt unlängst klar sein sollte: Das Spiel ist pure Satire. Nahezu endlose Anspielungen, Gags, Scherze, Cameo-Auftritte und anderweitige Referenzen lassen sich im Spielverlauf finden, die sich sowohl auf bekannte Videospiele und Spieleserien wie beispielsweise "Super Mario Bros.", "Metal Gear", "Mega Man", "Contra" oder "Bionic Commando" als auch auf Filme und TV-Serien der 80er und 90er Jahre beziehen. Es sind besonders diese zahlreichen Andeutung, von denen das Spiel förmlich lebt: Mal schlüpft ihr etwa in ein Superhelden-Kostüm, das zufällig dem von Batman ähnelt, und vermöbelt Schurken, ein anderes Mal gilt es wiederum das zeitreisefähige Gefährt aus "Zurück in die Zukunft" mit neuer Energie zu versorgen, indem ihr bei voller Fahrt Fußgänger und Passanten am Straßenrand umnietet. Und natürlich noch vieles mehr. Abwechslung im Missionsdesign ist somit in ausreichendem Maße vorhanden, wenngleich ihr einen Großteil der Spielzeit lediglich damit verbringt, in den unterschiedlichsten Fahrzeugen durch die Stadt zu rasen und von Punkt A nach Punkt B - sprich von Mission zu Mission - zu gelangen.

"Retro City Rampage" schafft es, trotz gewollter technischer Restriktionen, ein genretypisches Sandbox-Spielgefühl zu erzeugen. Wer einfach nur stur eine Hauptmission nach der anderen abarbeitet, verpasst dabei vieles von dem, was diesen Indie-Titel so interessant macht. Die Faszination liegt letztlich im Detail, denn auch die Spielewelt strotzt nur so vor Anspielungen und bietet zahlreiche weitere Beschäftigungsmöglichkeiten, etwa viele Nebenmissionen, Arcade-Herausforderungen und Minispiele, die es zu erledigen gilt, oder versteckte Waffen, Power-Ups, Fahrzeugen und anderen Secrets, die gefunden werden wollen. Oder man stellt sich beispielsweise - just for fun - mit einem Raketenwerfer auf die Straße und bombardiert rücksichtslos alles, was nicht bei drei auf dem virtuellen Baum ist. Oder aber man fährt einfach in der Stadt herum und geht auf eine spannende und interessante Entdeckungsreise. Was ihr folglich aus dem Spiel macht und herausholt, liegt tatsächlich ganz bei euch. Die Möglichkeiten, die euch das Spiel dabei bietet, sind jedenfalls beachtlich und garantieren entsprechend mehrere Stunden abgedrehte Unterhaltung. Und wer genauer hinschaut, findet nicht nur diverse Crossovers und Gastaufritte, sondern auch gesellschaftskritische Ansätze, beispielsweise wenn der Protagonist einen spontanen Monolog über die aktuelle Situation in der Independent-Szene hält oder die weltweit in regelmäßigen Abständen immer wieder aufflackernde Debatte um Gewalt in Videospielen satirisch aufarbeitet. Genau das sind die Momente, in denen "Retro City Rampage" fasziniert, begeistert und entzückt; in denen ein künstlerischer Anspruch erkennbar wird - was sich nicht zuletzt auch an der erstklassigen 8-Bit-Retro-Präsentation manifestiert. Die unzähligen Grafik- bzw. Farbfilter, die sich im Optionsmenü jederzeit aktivieren lassen, setzen dem Ganzen dabei noch die Krone auf. Ihr wollt das Spiel lieber in schwarz-roter Virtual Boy-Optik spielen? Oder als Handheld-Liebhaber einen Game Boy-Bildschirm simulieren? Alles kein Problem! Kurzum: Der pure Wahnsinn für jeden Nostalgiker!

Doch bei aller berechtigten Ekstase dürfen einige wichtige Kritikpunkte nicht vergessen werden. Und die sind in diesem Fall tatsächlich von fundamentaler Natur. In ähnlichem Maße, wie "Retro City Rampage" nämlich als Kunstwerk und Hommage brilliert, enttäuscht es letztens als Videospiel. Das Kernproblem lässt sich im Grunde in zwei Worten zusammenfassen: substanzloses Gameplay. Als Parodie greift es zwar auf viele Klassiker der Videospielgeschichte zurück und bietet somit durchaus Abwechselung, schafft es dabei jedoch nicht (bzw. gerade deswegen nicht), eine eigene Substanz in der Spielmechanik aufzubauen. Darunter leidet letzten Endes die gesamte Spielbarkeit: Die Missionen sind in aller Regel kurz, simpel und besitzen keinen spielerischen Tiefgang. Das Gameplay wirkt entsprechend nicht selten langweilig und eher ermüdend. Wer Theftropolis bis in die letzten Winkel erkundet, tut das sicherlich nicht des eigentlichen Spiels wegen, sondern weil die Dichte an Gags und Andeutungen in dieser Weise einfach einzigartig ist. Ein zentraler Aspekt, an dem sich der vorliegende Titel auch von seinen zahlreichen Bezugsquellen wie etwas "Grand Theft Auto" stark unterscheidet - aus spielerischer Sicht leider im negativen Sinne. Erwähnenswert ist zudem, dass der eigentlich moderate Schwierigkeitsgrad in einigen Missionen unangemessen stark ansteigt. Ob die Entwickler damit einfach nur die Spieler ärgern wollen oder darauf anspielen, dass Videospiele früher im Allgemeinen deutlich anspruchsvoller waren als heute, können wir nicht eindeutig sagen. Fakt ist aber: Die Todes-Statistik wird auf diese Art unnötig in die Höhe getrieben, was mitunter auch einige Nerven beim Spielenden kostet. Musik-Liebhaber werden sich vermutlich auch am wenig mitreißenden und irgendwie recht austauschbaren Soundtrack stören, der zwar mit seinen vielen 8-Bit-Melodien eine passende akustische Retro-Untermalung bietet, von der Ohrwurm-Qualität eines "Mega Man" und Co. jedoch weit entfernt ist.

Fazit:
"Retro City Rampage" ist eine einfallsreiche und witzige Parodie, eine wahrlich exzellente Hommage und eine nostalgische Zeitreise in die 80er und 90er Jahre des letzten Jahrhunderts. Es sind besonders die unzähligen Anspielungen und Referenzen, aus denen dieses Spiel einen Großteil seines Charmes und seiner Faszination zieht. Doch die größte Stärke dieses Titels ist zugleich auch seine größte Schwäche: Es ist eine außergewöhnliche und einmalige Parodie. Genau dies ist das Fundament des Spiels, davon lebt es. Alles Weitere war während der Entwicklung dagegen offenbar nur zweitrangig, da der Titel als Videospiel durch gehaltloses und eher langweiliges Gameplay letztlich mehr enttäuscht als begeistert. Dennoch: Wer mit all jenen Spielen, Filmen und anderen popkulturellen Elementen, die hier liebevoll karikiert und imitiert werden, aufgewachsen oder zumindest vertraut ist, wird mit "Retro City Rampage" hervorragend unterhalten. Das Grinsen im Gesicht, welches sich beim Spielen dieses Titels über kurz oder lang einstellt, bleibt auch lange nach Ablauf der Credits noch bestehen. Versprochen! (Alexander)

Pluspunkte:
+ gelungene Parodie auf die 80er und 90er Jahre
+ unzählige Anspielungen, Gags, Cameo-Auftritte und mehr
+ beachtlicher Umfang (inkl. Nebenmissionen, Minispiele etc.)
+ diverse Grafikfilter zum Experimentieren
+ 8-Bit-Retro-Optik mit Nostalgie-Faktor

Minuspunkte:
- im Kern substanzloses Gameplay
- mitunter unausgewogener Schwierigkeitsgrad
- austauschbarer Soundtrack

Wertung:
Einzelspieler: 7,0

Screenshot 1

Screenshot 2

Preis: 1000 Nintendo Punkte

news@mag64.de (21.04.2012)

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